Zu den Bildteppichen von Monika Pichler
Von Gerda Ridler
Die kriegerischen Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit haben viele Menschen unsanft aus ihren Träumen vom Frieden gerissen. Fernseh- und Presseberichte liefern uns täglich Berichte von Menschen, die nur mit dem Notwendigsten bepackt vor Krieg, Gewalt und Terror auf der Flucht sind. Die Bilder der jüngsten Balkan-Kriege, des Völkermords in Ruanda, die seit langem andauernde Gewaltakte in Tschetschenien und in Afghanistan machen uns zu erschütternden Zeugen von unvorstellbaren Gewaltexzessen, Plünderungen, Menschenjagden und Massakern. Denn die Kriege von heute bestimmten sich immer weniger über Gefechte, sondern immer mehr durch Terror gegen Wehrlose. Die Künstlerin Monika Pichler nimmt die Attacken gegen Zivilisten zum Anlass für ihre Art der Auseinandersetzung mit der Phänomenologie der Gewalt: Mit dem Golfkrieg im Jahr 1991 entstand die erste Serie Kriegsteppiche, die Chronologie der zerstörerischen Gewalttaten im letzten Jahrzehnt hat sie zu einer Reihe weiterer Teppicharbeiten angeregt, die an die Opfer dieser Gräuel erinnern sollen. Entstand der Teppich ursprünglich als leicht transportables, textiles Mobiliar der Normalbevölkerung, so ist auch in Kriegsgebieten der Teppich häufig die einzige bewegliche Habe, die Menschen auf ihrer Flucht mit sich nehmen können und die in der Fremde ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit vermittelt. Monika Pichler kombiniert bei ihren Siebdrucken auf Velour Bilder des Kriegsgeschehens aus Zeitungen, Zeitschriften und dem Internet mit traditionellen ornamentalen Motiven von Orientteppichen aus den jeweiligen Kriegsgebieten. Die originäre Herkunft des Teppichs lässt sich anhand der geometrischen Muster und Motiven bestimmen, die sich im Laufe der Jahrhunderte durch ethnologische, klimatische und kulturelle Spezifika geographisch unterschiedlich entwickelt haben. Als Grundlage für den "Flüchtlingsteppich" verwendet die Künstlerin traditionelle Farb- und Musterinventar von Teppichen aus Persien und Afghanistan und integriert aktuelle Medienbilder von Flüchtlingsströmen und einzelne Flüchtlingsfamilien in die Bordüren und das Mittelfeld des textilen Untergrunds. Die Bilder vom Leid und Elend der Menschen werden mit vegetabilen und geometrischen Ornamenten unterlegt, so dass der Charakter eine typisch Orientteppichs erhalten bleibt. Der sehr subtile künstlerische Kommentar überwältigt uns nicht mit einer plakativen Botschaft, sondern lässt uns erst auf den zweiten Blick die dokumentarische und politische Bedeutung des Bildteppichs erkennen. Durch die Verknüpfung von so gegensätzlichen Gestaltungsinstrumentarien wie der orientalischen Teppichtradition und der globalisierten Bildproduktion entsteht ein reflexives Spannungsverhältnis, das allen Arbeiten Pichlers inhärent ist.
Bei der Serie der "Fliegenden Teppiche" spielt sie mit unseren geprägten Vorstellungen der märchenhaften und imaginären Welten von tausendundeiner Nacht. Die Ikonographie des "Fliegenden Teppichs" irritiert unsere Denk- und Sehgewohnheiten, denn Monika Pichler hat die Ornamente dieses persischen Teppichs mit realen Fluggeräten, B 52 Bombern und Passagiermaschinen gespickt. Der genaue Blick lässt auch eine Maschine der United Airlines erkennen, unmöglich dabei, nicht an die jüngsten Terrorattacken zu denken.
Die Bildteppiche von Monika Pichler sind vor den Hintergrund des aktuellen
Kriegsgeschehens zu verstehen. Als Spiegel der alltäglichen Realität
des Schrecken werden sie zu Mahnmalen gegen den Terror, als histographische
Dokumente sind sie Teil eines kollektiven Gedächtnisses.
Gerda Ridler, Kunsthistorikerin
(aus: "Der globale Komplex", OK Centrum für Gegenwartskunst, 2002)
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